Peter Härtling, Schriftsteller
Release: Peter Härtling, Schriftsteller
- Datum: 27.05.2008
"Ich schreibe, weil der Mensch ohne seine Geschichte nicht leben kann", sagt Peter Härtling, einer der bekanntesten und beliebtesten Schriftsteller Deutschlands. Anhand von Archivmaterial und privaten Fotos erzählt Peter Härtling im Film seine Lebensgeschichte selbst. Eine einfühlsame Persönlichkeit und ein großer Humanist, der trotz leidvoller Erfahrungen stets auf Mitmenschlichkeit baut. Die Geschichte des Peter Härtling ist eine außergewöhnliche: 1933 wird er in Chemnitz geboren, in dem Jahr, in dem Hitler die Macht erhält. Sein Vater ist Anwalt, ein ruhiger, ernster Mann, der im mährischen Olmütz 1942 eine Kanzlei eröffnet und dort auch Juden und Tschechen vertritt. Das ist im deutschen Protektorat unerwünscht, die Kanzlei wird geschlossen. Der Sohn Peter dagegen ist ein "kleiner Nazi". Ihn faszinieren die Spiele der Hitlerjugend, der Zusammenhalt, die großen Worte. Das führt zu Konflikten in der Familie, zur Entfremdung vom Vater. 1945 flieht die Familie nach Zwettl in Niederösterreich. Dort, hoffen Härtlings, sind sie sicher, dort werden die Amerikaner einmarschieren und nicht die Russen.
Es kommt anders. Russische Truppen besetzen Zwettl, der Vater wird in Kriegsgefangenschaft genommen, die Mutter vergewaltigt. Die Familie flieht erneut, nach Nürtingen. Später erfährt sie, dass der Vater im russischen Lager gestorben ist. Die Mutter verkraftet das nicht. Sie nimmt sich mit 35 Jahren das Leben. Peter Härtling ist 13 Jahre alt, ein verwaistes Flüchtlingskind, ein Fremder. Die großen Ideale, die die Nazis verbreiteten, zählen nichts mehr. Aus strammen Hitleranhängern werden über Nacht "überzeugte" Demokraten. Diese Erfahrungen prägen ihn. Seitdem ist er ein entschiedener Pazifist und skeptischer Beobachter der Zeitgeschichte. An der Literatur richtet sich Peter Härtling auf. Er hört Wolfgag Borcherts "Draußen vor der Tür" im Radio. "Wie der Beckmann verzweifelt seine Toten zurückwollte im Gespräch mit dem Oberst, das Tick Tock seiner Krücken, das war ein Stück meiner Existenz."
Er beginnt zu schreiben. Bereits als Schüler wird ein erster Gedichtband von ihm veröffentlicht, mit 19 Jahren wird er Volontär bei der Nürtinger Zeitung. Zwei Jahre später ist er bereits Redakteur und mit 23 Feuilletonchef der Deutschen Zeitung. Mit Anfang 30 wird er in Berlin zum Mitherausgeber des "Monat", einer der wichtigsten Zeitschriften der Nachkriegszeit. Für seine nächsten Verse und Romane bekommt er zahlreiche Preise. 1967 wird Peter Härtling Leiter des S. Fischer Verlags in Frankfurt. Er ist in der Literaturszene ein wichtiger Mann. Doch mit 40 Jahren entscheidet er sich für das freie Schriftstellerdasein und kündigt bei S. Fischer. Er beginnt, für junge Leser zu schreiben und revolutioniert mit "Das war der Hirbel" oder "Ben liebt Anna" die Kinder- und Jugendbuchliteratur. Später entwirft er ungewöhnliche Künstler-Biografien; ihn faszinieren die Zerrissenen, die daran leiden, dass die Welt sie nicht versteht. Seine Annäherung an Hölderlin oder Schubert begeistern ein großes Publikum. Er engagiert sich politisch - gegen den Bau der Startbahn West, gegen das Wettrüsten Anfang der 80er Jahre. Er wird neben Günter Grass und Heinrich Böll eine der bekanntesten und wichtigsten intellektuellen Stimmen Deutschlands. Heute setzt er eher auf die Kraft der Literatur als die der Politik.
Deutschland, 2007, 43 min
Regie: Ute Heers
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