Die Sprache lügt nicht - Die Tagebücher von Victor Klemperer
Release: Die Sprache lügt nicht - Die Tagebücher von Victor Klemperer
- Datum: 04.12.2004
Von 1933 bis 1945 führte der deutsche Schriftsteller Victor Klemperer ein ungewöhnliches Tagebuch. Gegenstand war die Sprache des Dritten Reiches, "Lingua Tertii Imperii" nannte er sie. Leidenschaftlich notierte er jede neue Redewendung, die ihm begegnete, von den Stammtisch-Witzen bis zu den Anleihen aus dem Technik-Jargon, Boxsport und Werbung. Vornehmliches Ziel Klemperers war es, Zeugnis abzulegen von der Vergiftung der deutschen Sprache durch die Nazis.
Von Hitlers Machtübernahme 1933 bis zur Kapitulation Deutschlands 1945 schrieb Victor Klemperer in Dresden Tagebuch. Heimlich notierte er, was ihm als deutschen Juden im Alltag des Dritten Reiches widerfuhr und auffiel. Er führte das Leben eines Ausgestoßenen, dem tausend kleine Dinge verboten waren: ein Auto, einen Staubsauger, ein Fahrrad, eine Katze, einen Liegestuhl zu besitzen, eine Zigarre zu rauchen, eine öffentliche Bibliothek zu benutzen, "Mein Kampf" zu lesen, Eis zu essen. Dabei schwebte er in ständiger Gefahr, von der Gestapo verhaftet, ins KZ verschleppt und umgebracht zu werden. Aber Klemperer wollte sich nicht in die Opferrolle zwingen lassen. Er nahm den Kampf mit dem Naziregime auf dem Gebiet auf, das ihm als Philologie-Professor am nächsten lag, der Sprache. Bereits 1933 fing Klemperer an, in seinem Tagebuch die neue Sprache kritisch zu dokumentieren, die nun in Deutschland Verwendung fand. Mit der Leidenschaft des Sammlers notierte er jedes neue Wort, jede neue Redewendung. Er interessierte sich für die neuen Schriftzeichen in Todesanzeigen, für die Stammtisch-Witze, für den Einfluss Jean-Jacques Rousseaus auf die Nazi-Ideologie und für die Anleihen aus dem Jargon von Technik, dem Boxsport und amerikanischer Werbung. Getreu seinem selbst auferlegten Motto "Beobachten, notieren, studieren", analysierte er Tag für Tag die Sprache des Dritten Reiches, die er "Lingua Tertii Imperii" nannte und mit dem Kürzel "LTI" belegte. "LTI. Notizbuch eines Philologen" lautet auch der Titel seines 1947 erschienenen Buches. Jede neue Eintragung in sein Tagebuch konnte ihn das Leben kosten. Bald wurde ihm Schreiben wichtiger als Überleben. Er wollte Zeugnis ablegen und gleichzeitig Widerstand leisten gegen die Vergiftung seiner geliebten deutschen Sprache.
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