Dritter Frühling in der Wüste - Wo Amerikas Rentner überwintern

Sie kommen aus dem kalten Idaho, Oregon, Utah oder Wyoming, sie stammen aus vielen Bundesstaaten, aber eigentlich sind sie staatenlos. Ihre Zeit kommt im November. Wenn es eisig wird im Norden ziehen Amerikas ruhelose Ruheständler in Scharen in den Süden. Ihr Ziel: Quartzside, ein staubiges Geisterdorf an der Kreuzung zweier Fernstraßen zwischen Los Angeles und Phoenix, Arizona. Die "Snowbirds" fallen hier jedes Jahr in Scharen ein und plustern das Kaff kurzfristig zur zweitgrößten "Stadt" Arizonas auf, die reisenden Rentner lassen die Bevölkerung anschwellen, von 2.400 auf eine Million. Unter den Winterflüchtlingen findet sich das ganze gesellschaftliche Spektrum: ehemalige Manager, Sekretärinnen, Bauarbeiter. Sie alle genießen für drei Monate Freiheit, Sonne, Wohnmobil- und Lagerfeuerromantik im Wüstensand. Versorgt wird die Kommune von fliegenden Händlern und fahrenden Friseuren. Viele Vagabunden kennen sich, kommen jedes Jahr.

"Dieser Lebensstil ist nicht für jeden etwas", sagt Kathie. "Manche Leute haben ein bisschen Angst vor dem freien Fall und das ist es, war wir tun. Denn du gibst dein Zuhause auf. Du gibst all deine Sicherheiten auf. Mein Leben befindet sich in zwölf Kisten auf dem Speicher meiner Cousine. Wenn du in einem Wohnwagen lebst, kannst du einfach nicht alles mitnehmen. Du musst Opfer bringen. Und wenn du eine Sache kaufst, musst du drei andere loswerden, weil einfach nicht genug Platz da ist. Aber das Erstaunliche ist, ich brauche diesen ganzen materiellen Kram gar nicht. Wofür auch? Diese wunderbare Aussicht hier kostet mich nichts und keiner kann sie mir nehmen. Wir sind Opa und Oma in Partylaune. Wir kommen einfach hierher und haben Spaß."

Eine Reportage von Inka Schneider und Julia Fensterer über den Lebensabend in der Wagenburg.