Die Aussteiger und die Republik - Landleben

'Wir hatten ja von Landwirtschaft überhaupt keine Ahnung', sagt Jule Borsdorf, eine Lehrerin aus München, über ihre ersten Jahre in einer Landkommune in Niederbayern. Auch Lothar Gothe und Meggie Lück, ein Lehrer und eine Buchhändlerin, wollten den Traum von Glück und Freiheit wahr machen und ihr Leben radikal ändern: Sie kauften einen heruntergekommenen Hof im Bergischen Land und gleich eine Kuh dazu, mit der sie erst einmal nicht fertig wurden.

Die jungen Leute, die in den 70er und 80iger Jahren aufs Land zogen, wünschten sich ein Leben in einer großen Gemeinschaft, wollten der Natur nahe sein, ihre Kinder in gesunder Umgebung groß ziehen. Es waren Traditionalisten und Rebellen, Vordenker und Verweigerer, und mit ihrer Lebensweise und der Hippiekleidung weckten sie oft das Misstrauen ihrer ländlichen Nachbarn: 'Die dachten, wir laufen hier den ganzen Tag nackt herum!'

'Wie könnt ihr nur so leben', fragten die Eltern immer wieder, und Karin Baumann vom Brölerhof, heute ein gut gehender Familienbetrieb, erinnert sich an die Anfänge auf ihrem verrotteten Hof: 'Ja, da saßen wir dann mit unseren kleinen Kindern in einem riesigen Berg von Dreck und Schutt und mussten sehen, wie wir damit zurecht kamen.' Auf Spott und Skepsis der Nachbarn reagierten sie nicht selten mit dem Hochmut der zu allem entschlossenen Jugend, mancher Traum vom Zusammenleben ohne Neid und Eifersucht schlug fehl. Aber es entstand auch viel Neues: Ökologischer Anbau wurde - belächelt von den Nachbarbauern - ausprobiert, alte Handwerkstechniken wie der Ofenbau neu entdeckt und mit Fantasie und Entschlossenheit zur Existenzgrundlage der Aussteiger auf dem Land perfektioniert.

'Wenn wir vorher überlegt hätten, was alles auf uns zukommt, dann hätten wir es vielleicht gar nicht versucht. Aber so haben wir uns in das Abenteuer hineingestürzt und sind ja dann auch letztendlich damit fertig geworden', sagt Karin Baumann, und Lothar Gothe aus dem 'Düster Gründchen' im Bergischen Land zieht Bilanz: 'Die sagen heute alle immer: rechnet sich das? Dann sag ich, jetzt rechne mal zwanzig Jahre Freude, einmal am Tag, ein bisschen Freude. Wie viel Geld geben die Leute dafür aus !'